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Beitrag vom 02.01.2012
Huhn mit Pflaumen - ein Film von Marjane Satrapi und Vincent Paronnaud. Ab 8. November 2012 auf DVD und als Video on Demand
Britta Meyer
Nasser Ali Khan spielt die Violine wie kein anderer, doch selbst das kann ihn nicht mehr glücklich machen. Die Autorin von "Persepolis" erzählt in ihrem neuen Film eine verschlungene Geschichte...
... vom Leben, der Liebe, der Musik und dem Tag unter dem Jasminbaum.
Teheran, 1958. Nasser Ali Khan (Mathieu Amalric) ist lebensmüde.
Er legt sich ins Bett, verkündet seiner Frau Faranguisse (Maria de Medeiros) und seinen beiden Kindern, dass er nun zu sterben gedenke und beginnt, auf den Tod zu warten. Sein Bruder versucht vergeblich, ihn mit einem Sophia Loren-Film aus seinem Schlafzimmer ins Kino zu locken. Nicht einmal, als Faranguisse sein Lieblingsgericht, Huhn mit Pflaumen, für ihn kocht, lässt er sich umstimmen. Als allerdings der unerwartet leutselige Todesengel Azrael (Edouard Baer) auf seiner Bettkante sitzt, gerät Nasser Ali dann doch erst in Panik und dann ins Grübeln darüber, was in seinem Leben eigentlich so fatal schief gelaufen ist.
Marjane Satrapi erzählt in ihrem zweiten Kinofilm acht Tage aus dem Leben ihres Großonkels und schaut dabei sowohl in seine Vergangenheit, als auch in die Zukunft seiner Familie. Jeder der acht Tage der Erzählung widmet sich einer anderen Person aus Nasser Alis Leben, seiner Mutter (Isabella Rosselini), seiner Tochter, seinem Sohn, seiner Frau, seinem Bruder und schließlich auch ihm selbst. Es entfaltet sich neben- und nacheinander eine ganze Reihe von Lebensgeschichten, die jede in ihrem eigenen visuellen Stil erscheinen, mal dramatisch, mal als Slapstick-Comedy, mal als Graphic Novel, mal als romantisches Märchen. Satrapi und ihr Co-Regisseur Vincent Paronnaud vermischen gezeichnete und gefilmte Sequenzen so geschickt und farbenprächtig, dass die Grenzen zwischen Animation und Film schnell verschwimmen und dem Ganzen die surreale Atmosphäre eines Traumes verleihen.
Nasser Ali selbst erscheint über weite Strecken des Films als eine zwar sensible, aber pathetische und selbstsüchtige Gestalt. Er macht den Rest der Welt, allen voran seine todunglückliche, von ihm wie der letzte Dreck behandelte Ehefrau für sein Unglück verantwortlich und gefällt sich allzu sehr in seinem selbst gewählten Elend. Erst, als er selbst beginnt, sich zu erinnern, erfahren die ZuschauerInnen, wie vor langer Zeit sein Leben und seine Musik aus den Fugen geraten sind...
AVIVA-Berlin traf Satrapi während ihres Besuchs in Berlin, wo sie gut gelaunt über die Verwandlung ihrer Bücher in Filme sprach:
AVIVA-Berlin: When making movies from your books did you come to understand things about them that you were unaware of? Did it change your own vision upon your graphic work?
Marjane Satrapi: I did not come to cinema because I decided to do so. First, a friend of mine wanted to become a producer and he said "Let`s make a film out of `Persepolis`". I thought this was the worst idea in the world, I was really scared and said "Why making it?" I did everything I could to make the movie not to happen. I said "Okay, but everything in black-and-white, in animation, and then only this studio, with Catherine Deneuve…", and then everything was done like I asked! This small person inside me was shouting "Come on, try it, in the worst case you will just make a bad film, so what?" By this perspective, I made it and I think it was because I was so scared that I did everything to make it the best case scenario. I always thought it was a very cinematographic story and I had many people who wanted to buy the rights. So, it became an obvious continuation. But making movies does not `open` the book in another way, it is just making the same work twice, in different ways. The challenge is to make it in a way that it resembles each other, but is still something new.
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© Britta Meyer |
Zur Regisseurin: Marjane Satrapi, geboren 1969 in Teheran, wurde durch die beiden Comicbände
"Persepolis" weltbekannt. Mit vierzehn Jahren verließ sie den Iran und absolvierte ihre Ausbildung in Wien. Vier Jahre später kehrte sie in ihre Heimat zurück, studierte visuelle Kommunikation, emigrierte 1994 erneut und lebt heute in Paris. 2004 wurde "Persepolis" auf der Frankfurter Buchmesse zum "Comic des Jahres" gewählt. Als letztes erschien ihre Gesellschaftssatire
"Sticheleien". "Huhn mit Pflaumen" war der offizielle gemeinsame Wettbewerbsbeitrag Frankreichs, Belgiens und Deutschlands zu den Internationale Filmfestspielen von Venedig 2011.
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© Britta Meyer |
"Huhn mit Pflaumen" ist visuell atemberaubend. Durch die gekonnte Verschmelzung von Zeichnungen und Filmmaterial schafft Satrapi Bilder von solcher Schönheit, dass mensch umso enttäuschter von der halbgaren Geschichte ist, die sich nicht entscheiden kann, was sie denn nun sein will: Satire, Liebesdrama oder Märchen. Es hätte eine traurige und doch wunderbare Geschichte sein können, der es jedoch leider in all den verschlungenen Erzählsträngen nicht gelingt, ihre eigene Stimme zu finden.
Huhn mit Pflaumen
Originaltitel: Poulet aux prunes
Frankreich/Deutschland/Belgien, 2011
Verleih: Prokino Filmverleih
Regie und Drehbuch: Marjane Satrapi und Vincent Paronnaud
DarstellerInnen: Mathieu Amalric, Isabella Rossellini, Maria de Medeiros, Chiara Mastroianni, Jamel Debbouze, Golshifteh Farahani, Edouard Baer
Kamera: Christophe Beaucarne
Animation und visuelle Effekte: Damien Stumpf
Musik: Olivier Bernet
Format: Dolby, PAL, Widescreen
Länge: 1 Std. 29 Min.
Sprachen: Deutsch, Französisch Untertitel: Deutsch
Extras: Making-of, Animatics, Hintergrundbeitrag "Ein iranisches Märchen", Deleted Scenes, deutscher Kinotrailer
DVD-Start: 8. November 2012
Weitere Informationen finden Sie unter:
www.huhn-mit-pflaumen.de
Der Trailer zum Film auf Youtube
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